Die Frage, ob der Mieter wegen Bauarbeiten im Nachbarhaus oder in der Nachbarschaft zur Mietminderung berechtigt ist, ist eine schwierige Frage. Die Antwort hängt von den Umständen ab, ihr Ergebnis ist nur bedingt vorherzusagen. Dies belegen die unterschiedlichen und teils gegensätzlichen Entscheidungen der Gerichte. Teils wird Mietminderung gewährt, ein anderes Mal abgelehnt.
Grundsätzlich ist es so, dass die Errichtung eines Neubaus, Abrissarbeiten, Sanierungsarbeiten im Nachbarhaus oder Straßenbaumaßnahmen als Mangel zu bewerten sind, wenn der Mietgebrauch durch Lärm, Schmutz oder in optischer Weise beeinträchtigt wird.
Keine Mietminderung bei vorhersehbaren Bauarbeiten im Nachbarhaus
Das Minderungsrecht kann ausgeschlossen sein, wenn der Mieter bereits bei Abschluss des Mietvertrages davon ausgehen musste, dass auf dem Nachbargrundstück und im Nachbarhaus in absehbarer Zeit Bauarbeiten stattfinden werden.
In Gießen fühlte sich ein Mieter durch die Pumpen einer Großbaustelle gestört. Da sich die Bautätigkeit auf die Herbst- und Wintermonate beschränkte, sei es den Anwohnern zumutbar, die Fenster nachts geschlossen zu halten. Dann wären die in der Nachtzeit auch leicht überschrittenen Grenzwerte zumutbar (BGH VIII ZR 22/11).
Grundsätzlich gibt es Mietminderung – Einzelfälle
In einem anderen Fall wurde einem Mieter wegen erheblicher Lärmbeeinträchtigung durch Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück 25 % Mietminderung zugestanden (LG Darmstadt, Urt. v. 18.03.1983, 17 S 284/82).
Einem Arzt, der in seiner Praxis durch den Lärm einer 100 Meter entfernt liegenden Großbaustelle beeinträchtigt wurde, wurden 10 % Mietminderung zuerkannt (KG Berlin, 8 U 5875/98).
Lärm und Staub durch Abriss und Neubau auf einem Nachbargrundstück: 6 % Mietminderung (AG Hamburg ZMR 2003, 746);
Staub und Lärm durch den Abriss zweier Häuser: 20 % Mietminderung (AG Berlin NJWE 1997, 75);
Besondere Aspekte ergeben sich, wenn der Mieter gewerbliche Räume angemietet hat und der Zugang der Kunden zum Ladenlokal beeinträchtigt ist.
Insgesamt ist festzustellen, dass ein Mieter ortsübliche und in ihrer Dauer überschaubare Bautätigkeiten meist wird akzeptieren müssen. Erst wenn diese im Einzelfall eine gewisse Grenze überschreiten, wird es den Mieter nicht mehr zuzumuten sein, Lärm, Schmutz und optische Beeinträchtigung zu ertragen.
Mieter sollte die Situation dokumentieren
Der Vermieter beweispflichtig ist, sollte er ein Bautagebuch führen und dort alle Beeinträchtigungen eintragen. Informativ sind Örtlichkeit, Datum, Beginn und Ende der Störungen, Art der Arbeit (Bohren, Baggern, Hämmern, Schleifen) und Intensität der Störungen.
Im Idealfall macht der Mieter Tonaufnahmen oder beauftragt ein Lärmgutachten. Hilfreich sind auch Aussagen von Zeugen sowie der Umstand, dass sich alle oder mehrere Mieter des Hauses beschweren und möglichst übereinstimmende Feststellungen treffen.
Duldungspflicht des Vermieters entlastet ihn nicht
Der Mieter ist auch dann zur Minderung berechtigt, wenn der Eigentümer und Vermieter die Beeinträchtigung entschädigungslos hinnehmen muss (BayOLG WuM 1987, 112).
Mietminderung auch wenn Mieter abwesend ist
Der Minderungsanspruch besteht auch dann, wenn der Mieter tagsüber (AG Regensburg WM 1992, 476) oder während der gesamten Bautätigkeit abwesend ist. Der Einwand des Vermieters, der Mieter habe die Mietsache ohnehin nicht nutzen können, ist belanglos (BGH NJW 1987, 432), kann aber in der Höhe der Minderungsquote durchaus Berücksichtigung finden.
Jeder empfindet Lärm durch Bauarbeiten anders
Unberücksichtigt bleibt, ob ein bestimmter Mieter unter den Beeinträchtigung besonders zu leiden hat. Maßgebend ist das Empfinden eines objektiv denkenden Durchschnittsmenschen, der die Sachlage vernünftig bewertet.
Keine Duldungspflicht bei Modernisierungsmaßnahmen des Nachbarn
Die Mietrechtsreform zum 1.5.2013 verpflichtet den Mieter, Modernisierungsmaßnahmen seines Vermieters für die Dauer von 3 Monaten zu dulden. Im Verhältnis zum Nachbarn, der sein Gebäude modernisiert, gilt diese Vorschrift nicht.
23. Oktober 2013 - 13:39
Sehr geehrte Damen u. Herren,
Habe eine Frage zur Mietminderung in folgender Situation: wir stocken gerade ein Haus auf.
Der große Baulärm ( Dachabriss, Wiederaufbau, Anstrich d. Fassade) und das Gerüst sind jetzt vorbei, jetzt beginnt der Innenausbau mit Stellwerkwänden und Regibsplatten ( dürfte wohl nicht sooo laut sein). Gestern kam von bd. Mietern, der eine gleich unter der neuen Etage, der andere im Kellergeschoss, ein Schreiben , wo eine Mietminderung von 30%, gemacht wird, rückwirkend schon für Sept. u. Okt. Die Mieter im Kellergeschoß bekommen von dem “Baulärm” garnichts mit. Die hat nur das Gerüst gestört. Ist aber ja jetzt weg.
Meine Frage: ist das rechtens? Wenn ja, auch die 30%?? Mieter im Untergeschoss bekommen von der Stadt Wohngeld für die Wohnung. Sollte man dann im Fälle der Minderung die Stadt Informieren? ( weil das Geld wird sich ja dann eingesteckt!)
Freue mich über eine pos. Mail von Ihnen und verbleibe mit
Freundlichen Grüßen
E. Oberförster
26. Oktober 2013 - 15:10
Hallo Herr Oberförster,
ich würde mich zu dem Fall anwaltlich beraten lassen. Das geht online und sogar recht günstig.
Eine Mietminderung muss angemessen sein, je nach stärke der Beeinträchtigung. Hier noch ein Artikel für Sie: Mietminderung rückwirkend möglich?
Viele Grüße
Dennis Hundt
18. Juli 2014 - 07:35
Guten Tag Herr Hundt,
In meinem Fall ist im Nachbarhaus eine Baustelle. EG und 1. Etage werden zusammengelegt. EG Balkone abgerissen. Terasse gebaut. Direkt neben mir. Ich bin Tagesmutter und seit 5 Monaten ertrage ich und meine 5 Kleinkinder diesen extremen Lärm und die Erschütterungen. Ich habe gebeten, während der Schlafzeiten für 2 Std ruhigere Arbeiten zu verrichten. Das ging anfangs. Jetzt aber nicht mehr. Ich bin mit den Nerven am Ende. Ich bin selbstständig ohne Gewerbe.
Gibt es Hilfe für mich?
Herzlichen Dank
18. Juli 2014 - 15:19
Hallo Sonja,
gerade wenn Ihre Selbständigkeit leidet, sollten Sie die rechtlichen Möglichkeiten mit einem Anwalt Besprechen. Dieser kann Sie auch entsprechend beraten.
Viele Grüße
Dennis Hundt
22. Oktober 2014 - 12:39
@ Oberdörster/E. Oberförster:
“Mieter im Untergeschoss bekommen von der Stadt Wohngeld für die Wohnung. Sollte man dann im Fälle der Minderung die Stadt Informieren? ( weil das Geld wird sich ja dann eingesteckt!)”
Ist das Ihre Sache?
Woher wissen Sie, dass die Mieter Wohngeld beziehen, wenn Sie es nicht direkt vom Amt erhalten?
Wissen oder vermuten Sie nur, dass die Mieter dann die Minderung nicht beim Amt angeben werden?
Grüße
Michael
11. November 2015 - 15:42
Guten Tag,
bei uns auf dem Nachbargrundstück wurde vor ca. 4 Wochen ein Einfamilienhaus abgerissen, nun entstehen auf dieser Fläche 3 Mehrfamilienhäuser. Der Baulärm ist immens, beginnt um 7h (weckt unseren 4jährigen Sohn) und endet abends gegen 18-19h, wobei es auch schon vorkam, dass erst nach 19:30h Ruhe eingekehrt war. Unser Wohnzimmer und Kinderzimmer liegen direkt neben der Großbaustelle, aber es schallt über alle weiteren Fenster in unsere Wohnung. Der Balkon ist durch die Baustelle nicht mehr zu nutzen, man kann kaum lüften, weil es staubt und man den Lärm kaum aushält. Unser Vermieter spart bei unserem Mehrfamilienhaus sehr offensichtlich und notwendige Dinge (wie z.B. Streichen und Reparieren von Holzflächen/ Holzfenstern, Installieren von Rauchmeldern, Marder auf dem Dachboden) wird seit Jahren nicht vorgenommen bzw. ignoriert. Aufgrund von unseren undichten Fenstern (Holzfenster – verzogen) wirkt sich der Baustellenstaub jetzt natürlich noch negativer aus. Zu Beginn unserer Zeit hier hatte unser Vermieter einen Handwerker organisiert. Dieser arbeitet unseres Wissens schon seit Jahrzehnten für dieses Haus. In unserem Fall antwortete er nur, wir könnten doch froh sein, denn durch die undichten Fenster wäre unsere Wohnung immer gut belüftet. Das war es dann mit der Reparatur.
Zu dem Bauvorhaben kann ich sagen, dass es nicht ersichtlich war, dass hier gebaut wird. Wir wurden somit auch nicht darauf hingewiesen, weil es sicherlich nicht bekannt war.
Ich bin momentan noch in Elternzeit, also oft zuhause. Unseren Sohn hole ich gegen 15h vom KiGa, also bekommt auch er noch relativ viel vom Baulärm mit.
Nun würde ich dem Vermieter eine Mietminderung um 15% vorschlagen, wäre dieses ungefähr angemessen?
Vielen Dank im Voraus,
Barbara
12. November 2015 - 06:46
Hallo Barbara,
danke für Ihren Beitrag. Ich kann Ihnen hier nur den Tipp geben, dass Sie sich eng an die o.g. und zu Ihrem Fall passenden Rechtsprechung halten sollten. Lieber etwas tiefer rangehen oder die Miete erstmal unter Vorbehalt zahlen.
Viele Grüße
Dennis Hundt
5. März 2016 - 13:09
Guten Tag,
ich bin Vermieter eines 7-Parteien-Hauses im Stadtzentrum. Nun soll in absehbarer Zeit das Nachbargebäude abgerissen und ein neues Gebäude erstellt werden.
ich kann davon ausgehen, dass meine Mieter eine Mietminderung geltend machen werden.
Meine Frage an Sie: Kann ich diesen Mietausfall gegenüber dem Bauherrn des Nachbargebäudes rechtlich geltend machen (ist das zulässig), oder habe ich als Vermieter “Pech” und muß diese Mietminderung und somit Mieteinnahmeverlust hinnehmen?
Vielen Dank für eine Antwort hierzu im Voraus,
Gruß
Michael
18. Mai 2016 - 09:45
Habe das gleiche Problem wie Michael Wingen
Gibt es hier leider keine Antwort
Knut Sodemann