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Mietminderung wegen Formaldehyd

Klagen Mieter ohne erkennbare Ursache über Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Depressionen, Nervosität oder Atemreizungen, können die Beschwerden auf Ausdünstungen von Formaldehyd zurückzuführen sein. Die Chemikalie findet sich in der Wohnung verbauten Spanplatten, Klebstoffen, Isolierschaum, Lacken und Farben. Es ist eine richtige Allzweckchemikalie. In Tierversuchen hat sich Formaldehyd als Krebs erregend herausgestellt.

Das Bundesgesundheitsamt hat für Wohnräume einen Grenzwert von 0,12 Milligramm pro Kubikmeter Raumluft (= 0,1 ppm) festgelegt. Zumindest das OLG Düsseldorf (DWW 1992, 140) ist dieser Einschätzung gefolgt. Wird dieser Grenzwert überschritten, riskiert der Mieter gesundheitliche Beeinträchtigungen, die einen Wohnungsmangel begründen und zur Mietminderung berechtigen.

Die Rechtsprechung ist uneinheitlich

Schwierig wird es dadurch, dass die Gerichte die Grenzwerte eigenständig und sehr unterschiedlich festsetzen. Das LG Ansbach (VuR 1990, 35) zieht die Grenze bereits bei 0,12 mg (= 0,025 ppm), das OLG Nürnberg (DWW 1992, 143) geht von 0,025 mg (=0,05 ppm).  Das LG Hanau (VuR 1991, 127) bezieht sich auf die Grenze der Weltgesundheitsorganisation WHO und geht von 0,05 ppm aus.

Die Mieter in einem Einfamilienfertighaus wiesen anhand eines TÜV Gutachtens eine Formaldehydkonzentration in den Innenräumen von 0,23 mg/m³ Raumluft nach. Im Kinder- und Schlafzimmer waren Formaldehyd ausdünstende Spanplatten verbaut worden. Sie kürzten die Miete für 2 Monate um 56 %. Das AG Köln (WuM 1987, 120) hielt die Mietminderung für angemessen, da der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache beeinträchtigt war. Zudem durften die Mieter wegen der damit verbundenen Gesundheitsgefährdung fristlos kündigen. Gleichermaßen: AG Mettmann (VuR 1990, 208): 50 % Mietminderung wegen Formaldehydkonzentration 0,13 – 0,21 ppm; AG Säckingen (WuM 1996, 140): 25 % bei 0,11 und 0,10 ppm.

Auch dann, wenn der Grenzwert regelmäßig unter dem Höchstwert liegt, immer wieder aber überschritten wird und der Mieter deshalb unter konkret nachgewiesen Beschwerden leidet, kann ein Mangel vorliegen (AG Säckingen WuM 1996, 140)

Keine Mietminderung bei eigenem Mobiliar

Achtung: Stammen die vom Formaldehydausdünstungen nicht aus dem Baumaterial, sondern aus dem dem Mieter gehörenden Mobiliar, ist der Mieter selbst verantwortlich. In diesem Fall kann er Gewährleistungsansprüche gegen den Möbellieferanten geltend machen. Da eine Nachbesserung in der Regel nicht möglich ist, kann er vom Kaufvertrag zurücktreten und sein Geld zurückfordern (LG Fürth WuM 1987, 124, OLG Stuttgart NJW-RR 1992, 187).

Das Problem liegt in der Nachweisbarkeit

Der Mieter hat ein Recht, dass  sich seine Mietwohnung in einem Zustand befindet, der Gefahren für seine Gesundheit ausschließt. Besteht ein nachweisbares Risiko, kann er vom Vermieter Abhilfe verlangen. Allerdings muss er den Mangel beweisen, was im Einzelfall mit großen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Dies beginnt damit, dass eine überhöhte Konzentration überhaupt erst einmal erkannt werden muss, bevor daraus überhaupt irgendwelche Konsequenzen gezogen werden können. Ohne sachverständige Hilfe wird ein Mieter hier wenig Argumentationsgrundlagen haben. Immerhin genügt es, wenn aufgrund der nachgewiesenen Schadstoffe eine Gesundheitsgefährdung ernsthaft zu befürchten ist (OLG Hamm RE WuM 1987, 248). Dabei können in Erscheinung tretende Krankheitssymptome einen Wohnungsmangel genauso begründen wie das Überschreiten bestimmter Grenz- oder Richtwerte.

Zur Orientierung:

Milligramm (MG) = 0,001 g;

Mikrogramm (uG) = 0,000001 g;

Nanogramm (ng) = 0,000000001 g;

ppm (parts per million) = 1 Teil auf 1.000.000 Teile = ci. 0,12 mg/m³ Luft.

2 Antworten auf "Mietminderung wegen Formaldehyd"

  • Philipp Dehnhardt
    1. Februar 2017 - 20:26 Antworten

    Ich hätte zu derartigen Problemen folgende Frage: Ist der Vermieter, bei unabstreitbarer Geruchsbelastung, nicht in der Pflicht nachweislich eine Gesundheitsgefährdung auszuschließen? Oder liegt die Beweispflicht hier tatsächlich beim Mieter, eben diese Gefährdung aufzudecken?
    Mfg

    • DirtiMi Ppils
      22. November 2018 - 11:08 Antworten

      Als Mieter ist man immer am kurzen Hebel; tut mir Leid, dass ich dies so sage. Hatte bereits Schimmel Probleme mit Badezimmer ohne Belüftungsmöglichkeit doch mit Anwälten unrechtmässigen Mieterhöhungen etc…

      Dazu bedarf es Zeit und Geduld und etwas Geld. Sie müssen sich die Frage stellen, ob es das wert ist auch wenn Sie im Recht sind, ist Ihr Vermieter wircklich nur aufs Geld aus statt Ihrer Gesundheit zu helfen; vermutlich, sehr wahrscheinlich? JA, Geld ist das Ziel!!!

      Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass ich mit Multiple Sklerose mit Schimmel Leben muss und ich vermute mir wird nichts Gutes gewünscht.

      Bye Bye, Sorry wenn´s zu direkt klingt

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